Tradition im Glas: Auf den Spuren von Weinen mit Geschichte
Eine Schlenderweinprobe beim Weingut Juliusspital in Würzburg
Was erwartet euch?
90 Minuten, viele Schritte, drei Weine – und ein Blick hinter die Kulissen eines der traditionsreichsten Weingüter Deutschlands.
Die Schlenderweinprobe beginnt (und endet, wie sich das für eine gute Geschichte gehört) bei der charmanten Vinothek des Juliusspitals. Noch bevor der erste Schluck fliesst, erzählt uns unser Guide von der etwas ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte dieses Weinguts – das gleichzeitig ein Spital ist. Oder umgekehrt. Eine Kombi, die zumindest heutzutage nicht ganz alltäglich ist.
Die Gründung geht zurück auf Fürstbischof Julius Echter. Als er 1576 durch Würzburg spazierte, sah er viel Armut und Elend. Also beschloss er, ein Spital zu gründen – für Arme, Kranke und Alte. Weil es damals aber noch keine Sozialversicherungen oder Fördergelder vom Bund gab, musste er kreativ werden. Die Lösung: Weinbau! Und weil die Kirche bekanntlich über einiges an Land verfügte, legte er den Grundstein für das Weingut Juliusspital. Der Verkauf von Wein sollte das Spital finanzieren – und tut es bis heute.
Böden & Terroir
Das Juliusspital ist mit rund 180 Hektar Rebfläche das zweitgrösste Weingut Deutschlands (Platz 1: Kloster Eberbach). Die Weinberge liegen auf ganz unterschiedlichen Böden: Muschelkalk, Buntsandstein und Gipskeuper – alles geologisch so spannend wie die Weine, die daraus entstehen.
Muschelkalk: trockener, gelblicher Kalkboden aus uralten Muschelschalen. Sorgt für Weine mit Struktur, Frische, Mineralität – und gutem Reifepotenzial.
Buntsandstein: rötlicher Sandstein, der für gute Drainage sorgt. Die Weine? Oft spritzig, mit feiner Säure und einer klaren Stilistik.
Gipskeuper: ein Mix aus Ton, Silt und Gips – entstanden aus Meeresablagerungen vor rund 240 Mio. Jahren, als Würzburg noch unter Wasser lag (und ich vermutlich ein Weinliebhaber-Dinosaurier war).
Das Mikroklima der Region mit ihren sonnenverwöhnten Hängen und stetigem Wind tut ihr Übriges. Kurz: Diese Gegend ist gemacht für guten Wein.
Vom Edelstahltank zum Bocksbeutel
Nach der Einführung ging’s los mit dem Rundgang durchs Weingut – zuerst in den „neuen Teil“, wo moderne Stahltanks, Pressen und eine beeindruckende Logistik dominieren. Für mich als Ex-Weinbaupraktikantin (aka: ich hab das mal gemacht) war das zwar nicht neu, aber dennoch faszinierend – besonders, wie sie den Leseprozess in der Stadt logistisch meistern: gekühlte Lastwagen, kurze Wege, schnelle Verarbeitung. Effizienz trifft auf Qualität.
Und dann – endlich! – das erste Glas Wein:
Eine spritzige Scheurebe, frisch, leicht, aromatisch. Ein Sommer-Aperitif wie er im Buche steht. Und falls ihr euch fragt: Degustationsmengen in Franken sind eher grosszügig. Just saying.
Der alte Teil – und mein Lieblingsort
Dann ging es weiter in den alten Teil des Weinguts. Hier schlummern die Weine in Holzfässern, hier duftet es nach Geschichte, hier ist die Stimmung – magisch.
Es gibt sogar eine Weinpipeline, mit der der junge Wein vom neuen in den alten Teil transportiert wird. Und dort, zwischen Barriques und Geschichte, probierten wir den zweiten Wein:
Ein Riesling vom Muschelkalk, mit Noten von Mandarinen, lebendig, harmonisch – ein eleganter Vertreter seiner Art.
Und dann kam mein persönliches Highlight:
Ein 225 Meter langer Gang, gesäumt von 220 historischen Holzfässern, teils kunstvoll geschnitzt, teilweise aus der Kaiserzeit. Ein Weinkeller wie aus einem Märchenbuch. Ehrlich: Wer hier keine Gänsehaut bekommt, hat vermutlich keinen Geschmack. Oder nur kaltes Wasser in den Adern.
Tipp: In diesem Weinkeller liegt auch ein atemberaubender Veranstaltungsraum – perfekt für Firmenanlässe oder private Feiern mit Wow-Effekt.
Oder solltet ihr einfach Lust bekommen haben, auch einmal so eine Schlederweinprobe zu machen.
Das Finale: Silvaner mit Charakter
Der dritte und letzte Wein wurde im stilvollen Degustationsraum serviert – an den Wänden ein Zitat von Goethe:
„Alles, was uns imponieren soll, muss Charakter haben.“
Und der hatte Charakter:
Ein Silvaner vom Würzburger Stein, ausgebaut im Holzfass, in leuchtendem Gelb. Reife gelbe Äpfel in der Nase, mineralisch und fein im Mund – ein Wein mit Tiefe und Druck, der dennoch nicht schwer wirkt. Und natürlich im Bocksbeutel, dem traditionsreichen fränkischen Flaschensymbol.
Mein Fazit?
Ich komme wieder.
Mit einem Auto, das einen deutlich grösseren Kofferraum hat.
Denn die, die wissen, wissen es. 🍷😉